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Herbst, Vergänglichkeit, Tod, Hoffnung

  • Autorenbild: bps
    bps
  • 15. Okt.
  • 3 Min. Lesezeit

In den Herbsttagen können wir uns gar nicht sattsehen am bunten Laub der Bäume, das sich in leuchtenden Tönen verfärbt. Die Blätter nehmen alle nur erdenklichen Farbschattierungen an, spielen zwischen rot, gelb, orange und grün.

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Dann kommt plötzlich ein Kälteeinbruch, und von der Farbenpracht ist nur noch wenig übrig. Die Bäume sind fast kahl; ihre Blätter liegen welk und braun am Boden. Bald werden sie Humus sein, zu Erde zerbröselt und vermodert. Es entsteht der Eindruck, als zerfällt und stirbt langsam alles ab. Vielleicht liegt hier der Grund dafür, dass wir gerade in dieser Jahreszeit an unsere Toten denken und über Sterben und Tod ins Grübeln geraten.

Der Dichter Rainer Maria Rilke (1875-1926) sieht einen vielsagenden Zusammenhang zwischen der Jahreszeit Herbst und dem Herbst des Lebens. In einem seiner Gedichte schreibt er:

 

Die Blätter fallen, fallen wie von weit,

als welkten in den Himmeln ferne Gärten;

sie fallen mit verneinender Gebärde.

Und in den Nächten fällt die schwere Erde

aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.

Und sieh dir andere an: es ist in allen.

Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen

unendlich sanft in seinen Händen hält.

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Die Blätter, die zur Erde failen, sind Vorboten und Gleichnis für unser Fallen und Sterben. Ihr Zerfall und ihr Vermodern deuten auf unser hinfälliges Leben. Und es ist recht vieles, was wir in unserem Leben auf schmerzhafte Weise als brüchig und hinfällig erfahren. Die Hinfälligkeit hat Namen wie Rheuma, Diabetes, Herzinfarkt, Krebs, Schlaganfall, Depression; die Liste ist lang. Wir haben Menschen vor Augen, die nie ohne Schmerzen sind und immer wieder zu Behandlungen oder Operationen ins Krankenhaus müssen, ohne dass merkliche Besserung eintritt. Allein der Gedanke, dass man nicht mehr wie früher schalten und walten kann, belastet schwer. Es ist nicht leicht, sich eingestehen zu müssen, dass die Kräfte im Alter schwinden und man auf fremde Hilfe angewiesen ist.

Rilke macht am Ende seines Gedichtes Hoffnung. Auch wenn das Fallen in allen Dingen ist, wenn uns Hinfälligkeit und Zerbrechlichkeit überall begegnen, so gibt doch einen, der dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält.

 

Diese Gedanken verdichten sich in einem Ritus bei christlichen Beerdigungen. Als Zeichen für unsere hinfällige Existenz wird Erde auf Sarg oder Urne geworfen mit den Worten: „Von der Erde bist du genommen und zur Erde kehrst du zurück. Der Herr aber wird dich auferwecken.“ Sterben heißt demnach zur Erde zurückkehren. Aus der gleichen Erde jedoch, in die verstorbene Menschen eingesenkt sind, hat Gott wie ein Töpfer und Künstler den Menschen geformt. „Von der Erde bist du genommen …“ Nichts anderes besagt der Name des ersten Menschen „Adam“; er kommt vom hebräischen Wort „Erde“ – „Adamah“. Die Erde, die während des Begräbnisses auf Sarg bzw. Urne gestreut wird, weist also nicht nur auf die Zerbrechlichkeit unserer Existenz hin, sondern auch darauf, dass wir Gottes geliebte Geschöpfe sind.

Der biblische Bericht vom ersten Menschen Adam will angesichts unserer Erfahrung von Vergänglichkeit hervorheben: Jeder Mensch ist ursprünglich und von Anfang an Gottes Ebenbild. Und wir hoffen und dürfen glauben, dass diese besondere Beziehung zu Gott niemals aufhört und über den Tod hinaus fortbesteht. Er wird aus allem, was an uns und in uns brüchig ist, einst ein heiles Ganzes machen. Deshalb dürfen wir darauf vertrauen, dass wir nie tiefer fallen können als in Gottes Hand.

Am Allerheiligen- und Allerseelentag und darüber hinaus, wann immer sie zum Friedhof kommen, stellen Christen als Zeichen der Hoffnung Kerzen auf die Gräber ihrer verstorbenen Angehörigen und Freunde. Und am Abend scheint der Friedhof dann wie verwandelt durch ein Lichtermeer. Fast vertreibt das Leuchten das ungemütliche Novemberwetter und die Trauer.

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Die zumeist rot leuchtenden Laternen auf den Gräber erinnern an die Rückleuchte eines Zuges. Wenn wir am Bahnhof ein solches Rücklicht sehen, wissen wir, dass der Zug bereits abgefahren ist. Wir sehen ihn nur noch von hinten. Auch am Grab sehen wir die Wirklichkeit sozusagen „von hinten“. Die jenseitige Wirklichkeit ist uns entzogen. Was sich dahinter verbirgt, bleibt ein Rätsel, ebenso wie Gott für uns ein großes Geheimnis bleibt. Wir haben das Nach-Sehen; die Toten bleiben uns entzogen. Das, was wir sehen können, ist Erde, Staub und Asche. Und doch ist da eine Lichtspur über den Gräbern als Ausdruck unserer Hoffnung.

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So dürfen wir die Grablichter auch als Osterlichter deuten, die an den Grund unserer Hoffnung erinnern, an den Sieger über den Tod. Das österliche Licht erleuchtet unsere Dunkelheit und Trauer. Es ist Christus, das Licht, das neues Leben schenkt. Von ihm singt die Kirche in einem Hymnus:

 

Wenn wir im Tode leiblich zerfallen,

sind wir im Geiste schon jenseits der Schwelle ewiger Nacht.

Denn in der Quelle lebenden Wassers

tauchte uns Christus bei unsrer Taufe in seinen Tod.

Sind wir im Sterben mit ihm begraben,

wissen wir gläubig, dass auch sein Ostern er mit uns teilt.

 
 
 

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