„Bloß nichts falsch machen“
- bps
- 16. Mai
- 3 Min. Lesezeit

So lautete der Titel einer Fachtagung für Führungskräfte der Bayerischen Polizei rund um das aktuelle Thema PSNV-E. Was passiert im Gehirn bei gravierenden Erlebnissen? Welche ganz konkreten Konsequenzen können sich aus einer lebensbedrohlichen Situation entwickeln? Welche unterschiedlichen Bedürfnisse tauchen auf – aus der je anderen Perspektive von Betroffenen und Führungskräften? Kann auch einen echten Einsatz-Profi eine Traumafolgestörung erwischen? Wie steht die oberste Führungsebene der Bayerischen Polizei zu diesem Thema und was soll die neue Zentralstelle PSNV-E bezwecken?
Am 05.02.2025 standen genau diese Fragestellungen im Mittelpunkt einer Tagung, die mit knapp 100 Teilnehmenden aus ganz Bayern in der Privatklinik Stillachhaus bei Oberstdorf stattfand. Vertreter der Bayerischen Polizeiseelsorge, des PSD und der Seminargruppe „Schusswaffenerlebnis“ (schusswaffenerlebnis.de) hatten als Organisatoren wohl auch einen sehr guten „Draht nach oben“, denn alle wurden mit strahlendem Sonnenschein und traumhafter Bergkulisse empfangen. Zunächst ein echter Kontrast zum Inhalt der Tagung: Polizeihauptmeister a.D. Jürgen Röhr aus Berlin berichtete darüber, wie er im Einsatz bei einem Amoklauf angeschossen wurde, 85 Tage im Koma lag und danach mühsam wieder Schritt für Schritt „auf die Füße“ gekommen ist. Mit vielen persönlichen Eindrücken versehen verdeutlichte er die Folgeerscheinungen eines solchen Erlebnisses: körperlich, psychisch und sozial – hier vor allem auch der Umgang mit ihm durch Vorgesetzte und Behörde. Sein damaliger Chef Jörg Wuttig, Direktionsleiter Berlin-City a.D., berichtete von den Herausforderungen bei der Betreuung aus Sicht einer Führungskraft – auch keine leichte Aufgabe – gemäß dem Titel der Veranstaltung „Bloß nichts falsch machen“.
Wieder andere Impulse brachte Dr. Gerhard Schwarzmann aus Würzburg ein: als Notarzt war er zufällig in der Nähe beim Anschlag am Barbarossaplatz in Würzburg und leistete erste Hilfe. In seiner Berufslaufbahn hatte er schon viel erlebt und gesehen, so dass er sich geschützt sah. Trotzdem musste auch er mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung umgehen lernen – allem voran das eigene Eingeständnis, dass etwas nicht mehr „normal“ war. Eine unheimliche Entlastung für alle Einsatzkräfte, egal mit welcher Jackenfarbe: es kann jeden und jede treffen UND es gibt zahlreiche Unterstützungsmöglichkeiten.
Warum Menschen nach außergewöhnlichen Situationen außergewöhnlich reagieren machte der Chefarzt des Stillachhauses, Dr. Alexander Jatzko, sehr anschaulich deutlich. Die Informationsverarbeitung im Gehirn hat mehrere Modi: im Alltag herrscht richtige Ordnung zwischen Schaltzentrale, Emotionszentrum und Gedächtnis. Bei potentiell traumatisierenden Ereignissen verwendet das Gehirn Notprogramme aus der frühesten Entwicklungsgeschichte des Menschen und produziert dadurch Unordnung, die im Leben nach solchen Erlebnissen spürbare Konsequenzen haben kann. Aber Dr. Jatzko vermittelte große Zuversicht in der Behandlung möglicher Folgeerkrankungen und motivierte zu einem großen Verständnis für Menschen in solchen Ausnahmesituationen – vor allem im Hinblick auf Führungskräfte.
Letztere Perspektive griffen in ihren Beiträgen auch die Schirmherrin, Frau Polizeipräsidentin Dr. Claudia Strößner und der Inspekteur der Bayerischen Polizei, Herr Markus Trebes auf. Wesentlich sei z.B. das Klima, das auf einer Dienststelle herrscht: wenn über persönliche Eindrücke gesprochen werden kann, dies evtl. sogar durch Vorbilder in Leitungsfunktionen vorgelebt wird, dient das unmittelbar einer gelingenden Verarbeitung. Darüber hinaus sollten Führungskräfte empathisch, ansprechbar und wertschätzend sein, sowie die bestehenden Hilfs-Netzwerke gut kennen. Neu in diesem Netz ist die Zentralstelle PSNV-E beim ZPD in München. Christian Kögler, der Leiter dieser Stelle, erläuterte passgenau zum bisher Gehörten die Konzeption und die Möglichkeiten dieser neuen Einrichtung.
Den Rahmen der Tagung bildete die charmante Moderation des vom Bayerischen Rundfunk bekannten Moderators Achim Bogdahn und die herzliche Gastfreundschaft der Curamed Klinik Stillachhaus. Beim zwischenzeitlichen Kaffee auf der Sonnenterrasse des Hauses und angesichts der positiven Aspekte der Vortragenden verlor die Tagung sichtlich ihre Schwere.
Verweis: Titelthema in Bayerns Polizei 1/2025 (auch im Intranet: Bibliothek/Zeitschriften/Mitarbeiterzeitung/Bayerns Polizei)
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