Der Advent ist für mich eine „Ent-Zeit“ – ja, eine „Ent-Zeit“ mit „t“. Das will ich erklären. Die deutsche Vorsilbe „ent“ bedeutet meistens: sich von etwas trennen, sich entfernen, von etwas weggehen, das Gegenteil tun. Wenn ich etwas enthülle, dann nehme ich eine Hülle weg. Wenn ich etwas entschärfe, dann entferne ich das Gefährliche und Scharfe. Wenn ich jemanden entlarve, dann reiße ich ihm die Larve, die Maske vom Gesicht.
Der Advent ist eine „Ent-Zeit“, weil er uns einlädt, uns auf das Wesentliche zu besinnen und uns deshalb von manchem Oberflächlichen, Unwichtigen zu trennen. Der Prophet Jesaja gibt uns einige Tipps, wovon wir uns trennen, was wir loslassen können, damit unser Glaube wieder schlank und klar wird, wieder ein Profil bekommt.
Ent-decken – die Decke wegnehmen und sehen, was unseren Augen bisher verborgen war. Zu dieser adventlichen Haltung regen uns die Visionen des Propheten Jesajas an (vgl. Jes 11,1): Im Trieb, der aus einem Baumstumpf hervorwächst, schon den starken und blühenden Baum, in unserer oft so geistlosen Zeit schon geistvolle und begeisterte Menschen, in unserer friedlosen Welt schon Spuren des Friedens ent-decken.
Wer sich davon anstecken lässt, wird Hinweise auf neues, hoffnungsvolles Leben finden. – Darauf freue ich mich: Als Ent-deckungs-Reisender im Advent unterwegs zu sein und aufspüren, wo und wie sich neues in der Welt Gottes zeigt.
Ent-fesseln – auch davon träumt der Prophet (vgl. Jes 35,5): Gott wird die Menschen von den Fesseln der Blindheit und der Taubheit befreien und sie ganz neu sehen und hören lassen. Er wird die Ketten der Unterdrückten, der Erniedrigten und der Armen sprengen. Dieser Traum soll dem Volk Israel im babylonischen Exil Mut machen, soll die Gefangenen und Verschleppten vor der Resignation bewahren.
Wer selbst entfesselt ist, wer als befreiter und erlöster Mensch lebt, kann auch andere entfesseln, kann mithelfen, dass andere sich frei fühlen, und kann darauf verzichten, andere einzuschränken oder in Schubladen zu stecken. – Das möchte ich versuchen: Als Ent-fesselungs-Künstler den Advent gestalten, Weite in mein eigenes Leben bringen und dafür sorgen, dass andere in meiner Nähe aufatmen können.
Ent-lasten – wird Gott alle Mühseligen und Beladenen. Das kündigt Jesaja seinen verzweifelten Landsleuten an (vgl. Jes 40,2): Die Last, Sklave im fremden Land sein zu müssen, wird Gott seinem Volk abnehmen. Der Druck, unter dem sie leben, wird aufhören. Die Israeliten müssen es nur zulassen und Gott eine Chance geben, ihm eine Straße bauen, ihn in ihr Leben hereinlassen.
Entlastung sollen auch wir in der Adventszeit neu spüren: Wenn Gott im Kommen ist, wird es uns leichter ums Herz. Wenn wir Gott in unserem Denken und Fühlen, in unserem Reden und Handeln eine Chance geben, dann verlieren Dinge an Gewicht, die uns bisher niederdrücken und am Boden halten. Dann können wir Ballast abwerfen, den wir mit uns herumschleppen. – Das nehme ich mir für diesen Advent vor: Als Ent-lastungs-Zeuge anderen davon erzählen, ihnen Lasten abnehmen, sie von Druck befreien, sie in schweren Zeiten nicht allein lassen, sie in Krankheit und Enttäuschung stützen und begleiten.
Ent-decken – Ent-fesseln – Ent-lasten: Ich lasse mich überraschen, wie sich der Advent als „Ent-Zeit“ in diesem Jahr entwickelt ...
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